Mit der Mooney über den Atlantik – Ein Flug über Eis und Wasser

Nordpol links

Ich habe meinen deutschen PPL inkl. FAA-Anerkennung erst seit etwas über zwei Jahren, bin also relativ neu in der Fliegerei. So musste ich doch schon einige Nächte über das Angebot schlafen, mit meinem Schwager eine Mooney M20E über viel kaltes Wasser in die USA zu fliegen, ohne Ferrytanks und ohne Enteisungssystem. Ein Trip von über 4000 NM durch Wind und Wetter ist schon eine Ansage für mich, auch wenn wir bereits einige Flüge durch Europa und die USA gemacht haben. Mir schießen Gedanken durch den Kopf. Was wäre, wenn? Über Eiswasser einen Motorausfall zu erleben gehört nicht unbedingt auf die Liste meiner Erlebnisse, die ich haben möchte. Aber nicht nur das. Das große weiße Nichts über Grönland verführt mich auch nicht wirklich zu Landungen, ob nun gewollt oder nicht. Also holen wir so viele Infos ein wie uns möglich ist und bereiten uns bestmöglich vor.

Switlik ISPLR
Switlik ISPLR

Von Switlik gibt es eine Ein-Mann-Rettungsinsel mit doppeltem Boden, die wir beide kaufen, ein Rettungssender mit GPS, 406- wie 121.5 MHz-Sender kommt neben Unmengen an haltbarem, nahrungsreichen, aber nicht unbedingt nur gesundem Essen wie Snickers und Bifi mit an Bord. Wasser haben wir ausreichend in kleinen Flaschen dabei. Für die kleineren menschlichen Bedürfnisse haben wir Little John und Travel Johns im Gepäck. Für Hemmungen ist da oben wenig Platz. Meine Bedenken schwinden, die Vorfreude steigt. Allerdings nur, bis mir mitgeteilt wird, dass ich ein Visum für die USA brauche. Oh je, aber auch diese Hürde ist schnell erledigt, ebenso wie anderer Papier- oder vielmehr Internet-Ausfüll-Kram wie eapis und Co. Wir haben bestimmt etwas vergessen, denke ich mir. Sei es drum, es wird sich schon eine Lösung finden. Diese Einstellung sollte sich im Verlauf der Reise noch mehrfach beweisen müssen. Bei der Mooney mache ich mir wenig Gedanken. Der Alternator ist neu, um störendes Knacken im Funkgerät zu eliminieren, ansonsten habe ich durch die letzten Europareisen schon Vertrauen in die Technik der Mooney, auch wenn ich auf alles vorbereitet sein möchte.

Blauer Klaus
Blauer Klaus

Der große Tag kommt wie ein Prüfungstag. Etwas angespannt, aber mit starkem Willen, diese einmalige Reise durchführen zu wollen, geht es nach Mönchengladbach. Die 200 PS des Fliegers kommen uns schon zugute bei dem Berg Gepäck, was ich da vor der Maschine sehe. Um im Eismeer überhaupt in die Rettungsinsel zu kommen, habe ich einen dicken Neoprenanzug dabei, den ich “blauer Klaus” nenne. Ich werde ihn über dem Wasser bis zum Bauch angezogen haben, der Rest muss im Notfall dann hochgezogen werden. Wir üben das Szenario mehrfach und es klappt auf engem Raum dann doch irgendwie in kurzer Zeit.

Öl checken
Öl checken

Wir starten in typisch deutschem Mistwetter IFR (Instrumentenflug) in Richtung Calais, LFAC, um dort nochmal zu tanken, dann hoch nach Stornoway, EGPO. Auf dieser Strecke bekommen wir das meiste (nicht vorhergesagte) Icing der Reise, und das noch weit vor Grönland. Freundliche Menschen im Tower zeigen uns letzte Wetterinfos. Hier ziehen wir auch die Trockenanzüge an. Bequem ist anders, aber es geht doch besser als erwartet. Das größte Leg liegt gleich vor uns: Auf nach Reykjavik, Island. Gut fünf Stunden Wasser unter uns und ein beständiger Gegenwind, den wir noch lange aushalten müssen. Als wir Land in Sicht haben, sehen wir auch gleich den Eyjafjallajökull, den Vulkan, der uns 2010 ein freies Feld in der Luft ohne die großen Flieger zur Verfügung stellte. Schade, dass ich da noch keine Lizenz hatte. Und prompt brodelt offenbar auf Island schon ein weiterer Vulkan mehr im Hinterland, was wir aber nur im Nachhinein durch die Nachrichten erfahren. Die Landschaft sieht von oben ziemlich anders aus als bei uns in Deutschland. Die Vulkane haben sich offenbar schon einige Male ausgetobt. Faszinierend. Und wir sind gerade mal einen Tagesflug von Zuhause entfernt.

Den Abend verbringen wir in Reykjavik, genug geflogen für heute. Ich bin müde. Das Wetter sieht auch immer schlechter aus. Wir gehen noch in ein lokales Restaurant und genießen das andere Flair, das sich schon hier bemerkbar macht. Morgen werden wir sehen, was geht.

Kulusuk, BGKK
Kulusuk, BGKK

Das angedrohte Wetter kommt tatsächlich am nächsten Morgen wie eine übergroße Wasserbombe von Grönland auf uns zu. Man kann es überdeutlich in den Wetterprogrammen erkennen. Ein anderer Pilot sagt seinen Flug daher nach Grönland ab. Wir sehen jedoch keine größere Vereisungsgefahr und beschließen, zur Not tiefer und auch südlicher zu fliegen, die Nullgradgrenze ist zum Glück erst bei rund 6000 ft. VFR (Sichtflug) wäre das freilich nicht machbar. Wir fliegen also, angezogen wie übergroße Teletubbies mit unseren Gummianzügen, Notsender um den Hals und einem genauen Plan. Auf dem Flug nach Kulusuk, Grönland, BGKK, bleibt das Wetter zwar meist IMC, aber größere Böen oder starker Regen bleiben aus, so dass wir nichtmal groß ausweichen oder runtergehen müssen. Wir haben 30 kt Gegenwind. Die Reise wäre andersherum viel schneller gewesen. Da das Leg etwas kürzer als gestern ist, fühlt es sich angenehmer an, auch wenn wir nicht viel sehen, vielleicht aber gerade deshalb? Als wir zur Landung in Kulusuk sinken, sehen wir Eisberge, die im Meer schwimmen. Was für ein Anblick! Das ist Grönland!

Tanken in Kulusuk
Tanken in Kulusuk

Die Piste ist aus Schotter, aber sehr lang. Dass ich mir hier wegen aufgewirbelten Steinchen keine Sorgen um den Propeller machen muss, merke ich erst später auf der Reise. Wir machen nur einen Tankstopp und ich ziehe mir den blauen Klaus aus. Endlich raus. Doch kaum habe ich den Anzug abgelegt, umschwirren mich gefühlt tausende stechlustiger Mücken. Ich bin ohnehin ein Mückenmagnet, aber das hier frisst mich auf. Das mitgebrachte DEET, das in den Tropen gute Dienste geleistet hat, kann hier nicht komplett punkten, zu groß ist die Übermacht der Mücken. Also nichts wie weg.

Eiskappe blutet?
Eiskappe blutet?

Das nächste Leg ist der Überflug über die Eiskappe nach Kangerlussuaq, BGSF, also die andere Seite von Grönland. Wir fliegen mit einem kleinen Flugzeug über Grönland. Meine Endorphine werden sozusagen in Eimern ausgeschüttet. Mir kommen Gedanken wie Erderwärmung und das Schmelzen der Polkappen in den Sinn. Das ist jetzt alles so nah. Und tatsächlich, kurz vor Kangerlussuaq, sehe ich bläuliches Wasser aus dem Eis austreten. Es sieht ganz so aus, als würde die Eiskappe blau bluten.

Wetterbriefing
Wetterbriefing

Wir landen und werden in Sondre Stromfjord, wie der Ort noch genannt wird, übernachten. Da Grönland noch dänisches Gebiet ist, arbeiten hier auch einige Dänen. Man kann sie aber schon gut von den echten Grönländern unterscheiden. Wir schlafen im einzigen Hotel direkt am Flugplatz. Sonst gibt es noch eine Herberge, aber wir sind froh, noch ein Hotelzimmer zu bekommen. Als wir es betreten, fragen wir uns, ob wir doch in der Herberge sind, so spartanisch ist es hier. Für eine Nacht wird es reichen. Die Preise sind ziemlich gesalzen. Das ist auch irgendwie verständlich, muss doch alles außer Eis importiert werden.

Die Frühstückshalle des Hotels ist gleichzeitig die Wartehalle für Passagiere, abends ist sie dann das Restaurant. Um 9:30 Uhr kommt ein Flugzeug an und damit endet auch das Frühstücksbüffet, denn jetzt ist es die Ankunftshalle. Das nenne ich mal Timing und Nutzung vorhandener Ressourcen. Sogar Air Berlin fliegt hier regelmäßig hin, um Passagiere zu den Schiffen wie Hurtigruten zu bringen, die dann Grönland erkunden.
Ich hoffe auf VFR-Wetter am nächsten Morgen und werde nicht enttäuscht. Der Meteorologe in der Wetterstation macht die Wettervorhersage für ganz Grönland. Er wirkt sehr kompetent und ist wirklich freundlich, wie aber eigentlich alle hier. Heute darf ich, der ich keinen IFR-Schein habe, das Leg nach Kanada fliegen. Das Eiswasser unter uns, das uns gut vier Stunden begleitet, jagt mir mittlerweile keinen Schrecken mehr ein. Wir werden insgesamt routinierter. Der Check der Maschine geht mittlerweile Hand in Hand ohne Worte, ebenso das Anlegen der Neoprenanzüge. Sollte ich wider Erwarten nicht VFR durchkommen, habe ich mit meinen Schwager auf der rechten Seite einen erfahrenen Mooney-IFR-Piloten als Backup. Mir liegt viel daran, echtes VFR zu fliegen und nicht mal die Augen zu schließen und durch einen dünnen Layer zu fliegen, auch wenn ich schon viel von meinem Schwager gelernt habe. Wir würden dann problemlos IFR air-filing machen können. Aber es klappt. Die angekündigten Scherwinde beim Start bleiben schlicht aus und das Wetter ist zwar nicht karibisch, aber ok. Nichts für ein erstes Solo überland, aber fliegbar. Lediglich die 50 kt Gegenwind machen sich auf dem GPS deutlich sichtbar, ruckelig ist es dabei aber nicht besonders. Der Funk ist ziemlich entspannt. Hier fliegen nicht viele, daher macht mir die wechselnde Kommunikation mit “Sondrestrom” und dann den kanadischen Kollegen schon Spaß. Ich hoffe nur, dass ich bei meinem nächsten Flug, der nach Detroit City geht, auch so relaxed bleibe. Kurz vor Iqaluit, CYFB, wird das Wetter schlechter. Wir schaffen es dennoch VFR zum Flugplatz. Damit habe ich einen Interkontinentalflug durchgeführt und werde dies stolz in meinem Flugbuch dokumentieren dürfen.

Gespräch mit Einheimischen
Gespräch mit Einheimischen

Iqaluit ist gefühlt exakt mitten im Nirgendwo. Hier kommen Flieger und Fischer hin, sonst niemand. Wir sitzen abends in einer lokalen Bar und reden mit einem Einheimischen. Die Eindrücke sind immens. Uns wird klar, dass hier die Uhren anders ticken und ich sehne mich nach dem komfortablen Deutschland zurück, auch wenn das Hotel überraschend modern ausgestattet ist. Sogar sporadisch Wifi gibt es hier, wenn die Satellitenschüssel des Hotels mal durch die nun dicken Wolkenschichten durchkommt.

Anflug Inukjuak, CYPH
Anflug Inukjuak, CYPH

Das nächste Leg, nun nach Inukjuak, CYPH, ist wieder viel IMC-Wetter. Von wegen kanadische Wälder, erstmal geht es über eine mondähnliche Landschaft, die kaum Platz für Notlandungen lässt. Das muss am langen kalten Winter liegen. Als wir über der Hudson Strait wieder Festland in Sicht haben, lösen wir uns im Flug wie windende Würmer aus den Anzügen. Das letzte Leg über größeres Gewässer ist geschafft. Der blaue Klaus hat mir einiges an Sicherheit vermittelt. Angenehm, dass ich diese nicht in Anspruch nehmen musste.

Parken in Inukjuak
Parken in Inukjuak

Inukjuak ist gefühlt ein Nachbarort des “mitten im Nichts”, auch wenn es Stunden weiter südlich in Kanada liegt. Seitenwind von 25 kt und Böen von 35 kt lassen meinen Schwager ordentlich rudern. Ich bin entspannt und lasse das Schauspiel wirken. Der Windsack sieht fast aus, als wolle er platzen. Hmm, das ist wirklich viel Wind. Wir landen aber ausgesprochen sanft und gerade und rollen zum Tower. Die Kulisse könnte einem Steven Spielberg entsprungen sein. Auch hier ist es ziemlich unwirklich. Hinter uns landet eine Linienmaschine. Sie nutzt die Piste vom ersten bis zum letzten Meter aus. Wow. Wie telefonisch angekündigt wollen wir hier tanken, doch das interessiert die Dame im Abfertigungsgebäude herzlich wenig. Der Tankwart hätte scheinbar eine neue Telefonnummer und sie wüsste jetzt auch nicht weiter. Wir scheinen erstmal gestrandet zu sein.

Fass aufmachen in Inukjuak
Fass aufmachen in Inukjuak

Mit knapp zwei Stunden Sprit im Tank und dem nächsten Flugplatz mit AVGAS in knapp 300 NM Entfernung gibt es keine Optionen. Über Facebook erreicht sie dann doch noch den Nachbarn von Bobby, dem Tankwart. Nach einigen Stunden ist er dann tatsächlich am Platz. Verhandeln, wenn der andere weiß, dass man ausgeliefert ist, ist schwer. Also kaufen wir ein Fass AVGAS zu einem Preis von immerhin unter 1000 Dollar. Nur weg hier. Kurze Zeit später steht das geschlossene Fass vor uns. Was nun? Keine Zapfsäule, nichts. Mir kommen Gedanken, was MacGyver wohl jetzt machen würde. Wir machen es ihm gleich und zerschneiden einen gefundenen, ölverschmierten Schlauch und stechen das Fass an. Ob das alles so gut ist? Mir kommen Zweifel. Letztlich bekommen wir über den Umweg von Schlauch und Ersatzkanister die Maschine voll. Den Rest AVGAS, immerhin gut ein Drittel, müssen wir im Fass zurücklassen.

Propellerschaden
Propellerschaden

Beim Magnetcheck der Maschine haut es Steinchen in den Propeller. Schotterpisten sind furchtbar, zumindest diese. Wie schlimm es in den Propeller gehauen haut, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vollgas und hoch. Im Startlauf erwischt uns eine schwere Böe und wir sind kurzerhand ziemlich quer auf der Bahn, aber mit über 50 Knoten schon kurz vor dem Abheben. Für die 200 PS der Mooney bin ich gerade mehr als dankbar. Es geht unmittelbar aufwärts und der Zaun des Airports bleibt uns intakt in Erinnerung. Kurz nach dem Abheben wird ein Zylinder zu warm. Der JPI Engine Monitor zeigt das zum Glück deutlich an. Gas runter und schauen, was passiert. Mir stockt der Atem. Inukjuak muss verwunschen sein. War der Sprit doch nicht gut? Das Fass sah ja schon rostig aus. Die Zylinder normalisieren sich. Was auch immer es war, es hat sich wieder beruhigt. Wir trauen dem Braten nicht. Weil wir keine Anzüge an haben, bleiben wir nahe der Küstenlinie und fliegen so einen kleinen Umweg. 12000 ft sollten genug Zeit geben, den ersten Schock zu überwinden und einen klaren Kopf zu bekommen, wenn etwas passiert. Die Landschaft wandelt sich so langsam von Mondkratern zu Wäldern. Jetzt sind hin und wieder Straßen zu erkennen, wir kommen offenbar der Zivilisation näher.

Anflug auf Timmins, CYTS
Anflug auf Timmins, CYTS

In Timmins, CYTS, sind wir tatsächlich wieder zurück in der Wirklichkeit. Ein tolles westliches Hotel und richtige Restaurants. Hier soll die Sängerin Shania Twain herkommen. Wir fahren mit dem Taxi in die Stadt, vorbei an Wasserflugzeugen, die an Häusern am See stehen. Es sieht schon fast kitschig aus, so idyllisch ist es hier. Die kanadischen Wälder tun ihr übriges, damit ich mich hier wohl fühle.
Am nächsten Tag wollen wir es bis Chicago schaffen, dem Endpunkt unserer Reise. Da wir noch in Kanada sind und nur ich ein B1/B2-Visum habe, muss ich die Mooney allein von Windsor, Kanada nach Detroit, USA fliegen. Mein Schwager kommt mit dem Taxi in die USA, das geht auch mit ESTA. Da es nur 8 NM sind, ist die Fahrt nicht zu lang. Ich bin gespannt auf den Funk. Wird es hektisch, hier zwischen den Lufträumen? Doch die Controller sind sehr entspannt und geben mich letztlich von Tower an Tower weiter. Eine Landefreigabe bekomme ich schon beim Handover und sogar eine Piste darf ich mir aussuchen. Geht doch.

Chicago Skyline
Chicago Skyline

Nach dem Wegfuttern der letzten ungesunden Notrationen geht der Flug weiter nach Chicago. Das letzte Stück canceln wir IFR und fliegen VFR unter dem O’Hare class B airspace, dem fünftgrößten Flughafen der Welt. Hier können wir noch ein letztes Mal unseren Blick schweifen lassen, diesmal auf die Skyline von Chicago.

Ende der Reise in Chicago
Ende der Reise in Chicago

Ich habe auf diesem Flug vieles erlebt und noch mehr gelernt, habe großes Vertrauen in das Flugzeug, in Wettervorhersagen und nicht zuletzt in meinen Schwager gehabt. Würde ich es wieder machen? Definitiv ja! Vielleicht aber das nächste Mal in Südafrika, da habe ich auch noch einen fliegenden Schwager. Nächstes Ziel ist aber das EASA-IFR-Rating. Ohne IFR wäre dieser Flug nicht machbar gewesen und wenn man schon mit einem kleinen Flugzeug in die USA fliegen kann, steht einem der Himmel wirklich offen.